Was ist Somatic Experiencing?

Somatic Experiencing vs. Somatic Tracking

In der Mind-Body basierten Therapie von ME/CFS und Long Covid werden häufig die Techniken Somatic Tracking und Somatic Experiencing angewandt. Ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, dass sich beide therapeutischen Ansätze zwar beide primär auf die Körperwahrnehmung konzentrieren, jedoch unterschiedliche Ziele und Techniken verfolgen und anwenden. Hier sollen die wichtigsten Unterschiede von Somatic Experiencing und Somatic Tracking kurz erklärt werden:

Was bedeutet Somatic Experiencing(SE)?

  • Definition: Somatic Experiencing wurde von Peter Levine entwickelt und ist eine traumaspezifische Therapieform. Sie zielt darauf ab, Trauma, Stress und Spannungen, die im Körper „feststecken“, zu lösen. SE geht davon aus, dass der Körper bei traumatischen Erlebnissen in einem Zustand der „Gefahr“ verharrt, was zu verschiedenen körperlichen und emotionalen Symptomen führen kann.
  • Ziel: Somatic Experiencing versucht, das Nervensystem zu regulieren, indem es unverarbeitete traumatische Energien oder Stressreaktionen, die im Körper gespeichert sind, allmählich freisetzt. Dabei soll das Trauma durch das schrittweise Erleben und Verarbeiten körperlicher Empfindungen aufgelöst werden.
  • Technik:
    • Die Therapie konzentriert sich auf langsames und achtsames „Titration“, d.h. das schrittweise Eintauchen in traumatische Erinnerungen oder Körperempfindungen. So kann eine Überwältigung oder Retraumatisierung vermieden werden.
    • Klient*innen werden dazu angeleitet, ihre Körperempfindungen zu beobachten und sanft durch diese zu gehen. So wird dem Körper ermöglicht, eingefrorene oder blockierte Reaktionen aufzulösen.
    • Ein zentraler Bestandteil von SE ist der „Pendeln“-Prozess. Hier wird zwischen angenehmen und unangenehmen Empfindungen gewechselt, um dem Nervensystem die Möglichkeit zu geben, sich zu regulieren und das Trauma zu verarbeiten.
  • Verwendung: Vor allem bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS), Trauma und chronischem Stress, um gespeicherte Stress- und Trauma-Energien im Körper zu verarbeiten und das Nervensystem zu beruhigen.

Was ist Somatic Tracking?

  • Definition: Somatic Tracking ist eine Technik, die oft im Zusammenhang mit der Behandlung von chronischen Schmerzen oder psychosomatischen Beschwerden verwendet wird. Sie basiert auf der bewussten und neutralen Beobachtung von körperlichen Empfindungen, ohne Angst oder Bewertung.
  • Ziel: Der Hauptfokus von Somatic Tracking liegt darin, das Nervensystem zu beruhigen und dem Gehirn zu zeigen, dass körperliche Empfindungen, insbesondere Schmerzen, keine Bedrohung darstellen. Es hilft dabei, die Angst und Katastrophisierung zu verringern, die oft mit chronischen Schmerzen verbunden sind.
  • Technik:
    • Klient*innen werden angeleitet, auf körperliche Empfindungen, wie Schmerzen, aufmerksam zu werden, ohne diese zu bewerten oder zu bekämpfen.
    • Der Fokus liegt darauf, körperliche Empfindungen bewusst wahrzunehmen, ohne in negative Gedankenschleifen oder Ängste zu verfallen.
    • Es wird betont, dass die Empfindungen nicht gefährlich sind, was dem Gehirn hilft, neue neuronale Verknüpfungen zu schaffen und die Schmerzempfindung zu reduzieren.
  • Verwendung: Besonders nützlich bei psychosomatischen Schmerzen und in der Behandlung von chronischen Schmerzsyndromen, um das „Schmerz-Angst-Kreislauf“-Modell zu durchbrechen.

Unterschiede von SE und Somatic Tracking im Detail:

MerkmalSomatic TrackingSomatic Experiencing (SE)
ZielVerringerung der Angst vor körperlichen Empfindungen, insbesondere Schmerzen.Verarbeitung und Freisetzung von im Körper gespeichertem Trauma.
TheorieBasierend auf der Neuroplastizität – Das Gehirn lernt, dass Empfindungen (z.B. Schmerz) nicht gefährlich sind.Basierend auf der Theorie, dass Trauma im Nervensystem „eingefroren“ ist und durch den Körper freigesetzt werden muss.
TechnikBeobachten körperlicher Empfindungen ohne Angst oder Bewertung.Langsame, achtsame Arbeit mit Körperempfindungen, um eingefrorene Reaktionen zu lösen.
AnwendungHäufig bei chronischen Schmerzen oder psychosomatischen Beschwerden.Vor allem bei der Behandlung von Trauma und posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS).
FokusBewusste, neutrale Wahrnehmung von Körperempfindungen.Verarbeitung von Traumata durch Regulation des Nervensystems und körperliche Freisetzung.
Therapeutischer AnsatzMehr kognitiv-verhaltenstherapeutischer Ansatz – Fokus auf die Veränderung der Schmerzbewertung.Körperorientierter Ansatz – Fokus auf das Nervensystem und auf die Freisetzung von Trauma.
EntwicklerEntwickelt als Teil der Schmerztherapieansätze, basierend auf Arbeiten wie der von Dr. John Sarno.Entwickelt von Peter Levine als spezifische Traumatherapie.
Unterschiede von SE und Somatic Tracking im Detail

Somatic Experiencing & Somatic Tracking in Kürze:

Somatic Tracking ist eine Technik, die sich darauf konzentriert, die Angst vor körperlichen Empfindungen, insbesondere Schmerzen, zu verringern, indem man diese bewusst und ohne Bewertung wahrnimmt. Es wird häufig bei chronischen Schmerzen eingesetzt. Im Podcast „Blühende Gesundheit“ von Anna findest du eine angeleitete Somatic Tracking Übung von Lena.

Somatic Experiencing hingegen ist eine traumaspezifische Therapie, die darauf abzielt, unverarbeitetes Trauma im Körper durch achtsame Arbeit mit Körperempfindungen zu lösen und das Nervensystem zu regulieren. Somatic Experiencing geht tiefer in den Körper hinein, während Somatic Tracking primär auf die kognitive Umprogrammierung von Schmerz- und Angstmustern abzielt. Auf der Seite des Somatic Experiencing Deutschland e.V. findest du weitere Informationen sowie eine Liste von SE-Therapeut*innen in deiner Nähe.

Auch im emmy-Podcast werden diese Techniken ausführlich mit verschiedenen Expert*innen besprochen.